Geschichte und Entwicklung
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Bis zum heutigen Tag ist die schwingende Metallzunge, die nach einem altchinesischen Bericht Kaiser Huang Tei 2800 Jahre vor unserer Zeitrechnung erfunden haben soll, das kleinste Tonwerkzeug der Welt geblieben. Noch heute erklingen im chinesischen Sheng die schwingenden Zungen. Sie ermöglichten in unserer Zeit die Herstellung der wohl am meisten verbreiteten Volksinstrumente Mundharmonika, Handharmonika, Akkordeon, Melodica und andere Musikinstrumente mit verwandten Klängen.
Der Weg vom chinesischen Sheng bis zu den Zungeninstrumenten der Gegenwart liegt teilweise im Dunkeln. Vielleicht waren es portugiesische Seefahrer, die die Erfindung der schwingenden Metallzungen nach Europa brachten. Wahrscheinlich kam aber der Sheng auf dem Landweg über Sibirien und Russland nach Europa. Eine erste abendländische Beschreibung der freischwingenden Metallzunge finden wir bei Michael Praetorius anno 1619.Es wird 1770 berichtet, dass ein aus Bayern stammender Kammermusiker namens Johann Wilde in St.Petersburg dem heutigen Leningrad, das Sheng kennen gelernt und auf der- wie es heißt lieblichen Chinesenorgel ein Konzert gegeben habe. Zur gleichen Zeit begegnet Abbé Vogler in St. Petersburg einer Kleinorgel mit freischwingenden Zungenstimmen. 1804 kam Vogler in Wien mit dem Instrumentenbauer Mältzel zusammen, der das Prinzip der Durchschlagzunge in seinem Panharmonikon verwendete. Es ist daher mit Sicherheit anzunehmen, dass von etwa 1810 an die Metallzunge als Tonwerkzeug in Fachkreisen allgemein bekannt war.
Doch ist es nicht eigenartig und vielleicht sogar charakteristisch, dass gerade das bei der Jugend so gern gespielte Musikinstrument, die Mundharmonika, vor nunmehr 150 Jahren von einem jungen Mann aus Berlin namens Christian Friedrich Ludwig Buschmann im Jahre 1821erfunden worden ist? Also in der Hochblüte der Biedermeierzeit, die bekanntlich von romantischen, beschwingten und galanten Tonidealen erfüllt war. Damals spielten viele Virtuosen die Glasharmonika, für die übrigens Mozart eine Komposition schrieb. Der sensible Ton der Mundharmonika, anfangs auch Aura oder Mundäoline genannt, lag gewissermaßen wie eine Sehnsucht in der Luft.
Christian Friedrich Ludwig Buschmann hatte sein handwerkliches und musikalisches Können von seinem Vater geerbt, der ein berühmter und weitgereister Instrumentenbauer und Musikinstrumentenstimmer war. In einem der Nachwelt erhalten gebliebenen Brief schreibt Buschmann an seinen Bruder:
"Ich habe in Barmen ein neues Instrument erfunden, welches wirklich merkwürdig ist. Das ganze Ding habe ich nur vier Zoll im Durchmesser und auch so hoch, habe aber 21 Töne darauf, und Piano und Crescendo wie du nur spielen willst darauf, und ohne Klaviatur und kann Harmonien von sechs Tönen darauf angeben, Läufer und alles, und kann den Ton halten solange man Lust hat. Dies Instrument habe ich zu dem Zweck erfunden, um bei unserem Instrument(gemeint ist das Terpodion) das Akompagnieren und auf dem kleinen Dinge die Singstimme zu spielen, welches wahrhaftig einen herrlichen Effekt machen muss..." (28.12.1828)
Der junge Buschmann kam mit seinem Vater viel in der Welt herum. So verkaufte er auch einige seiner Mundäolinen in Wien. Wie oft die Wege gehen, geheimnisvoll und nicht vorauszuschauen, gelangte eine solche Mundäoline in das Marktdorf Trossingen, einer württembergischen Landgemeinde zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb gelegen, unweit dem Bodensee. In der Chronik der Klöster von St. Gallen und der Insel Reichenau wurde Trossingen schon im Jahre 797 genannt. Der Ort auf der 715 Meter über dem Meer gelegenen Hochebene der Baar führte abseits allen Ruhmes sein landschaftlich gebundenes Leben. Während in der Weltstadt Wien das kleine Buschmann'sche Instrument in Vergessenheit geriet, sollte es jenseits der großen Welt, in Trossingen, eine Auferstehung erleben, wie es sich kaum ein Dichter hätte erträumen können.
Der "Zeug-Christe", sein Taufname was Christian Messner, was 1827 der erste Trossinger "Harfenmacher". in kleinen handwerklichen Familienbetrieben sind damals die ersten Trossinger "Mundharfen" angefertigt worden. Man musste ein guter Bastler und ein geduldiger Handwerker sein, um sie herzustellen. Doch waren diese Werkstätten in der Trossinger Bauernhäusern nicht in der Lage, die damalige Not zu mildern, geschweige denn, sie zu überwinden. Man muss wissen, dass die Trossinger Bevölkerung und mit ihr die Bewohner der ganzen Baar noch in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts des kargen, schweren und wasserarmen Ackerbodens wegen hart zu ringen hatten. Die Bauern mussten sich schwer abmühen. Viele von ihnen verließen die Heimat, um in Amerika das glück zu finden. Erst der fortschrittlich gesonnene Matthias Hohner (1833-1902) verfolgte mit Zähigkeit die Idee, Mundharmonika mit besser geeignete Werkzeugen und Maschinen herzustellen. Als 24-jähriger Mann begann der Uhrmacher Matthias Hohner seine Fabrikation. Er besaß weder Geld noch einflussreiche und kapitalkräftige Freunde. Was er sein eigen nenne konnte, war ein kluger Kopf, ein frohes Herz, ein eiserner Wille und eine tapferer, fromme und Fleißige Frau. Als gelernter Uhrmacher was Matthias Hohner mit den feinmechanischen Arbeiten vertraut. Hinzu kamen sein weit blickender Geist und ein Gespür für das jeweils Richtige in seinen Handlungen. So sagte sich Matthias Hohner, dem die Notlage seiner Heimat gemeinde ebenso am Herzen lag wie die Not in den Nachbargemeinden und in den Dörfern des nahe gelegenen Heuberges: Was die Kinder in Trossingen lieben, das werden auch die Kinder draußen in der Welt lieben.
Und die Jugend von damals liebte die Mundharmonika ebenso wir heute. Wo immer dieses Musikinstrument mit seinen in der Sonne blitzenden Metalldeckeln auf den Märkten ausgelegt oder in den Schaufenstern zu sehen war, wurde es zum Wunschbild, das Instrument zu besitzen. Das Wort von Matthias Hohner "Mein Feld ist die Welt" sollte richtungweisend für seine Lebensarbeit werden.
Stellte Matthias Hohner mit seiner Frau und zwei Gesellen im ersten Geschäftsjahr 650 Mundharmonikas her, eine Stückzahl, die heute alle zehn Minuten fertig gestellt wird, so waren es zwanzig Jahre später, also 1877, schon 85 000 Mundharmonikas, die von 86 Mundharfenmachern gebaut wurden. Als Matthias Hohner im Jahre 1900 sein Geschäft seinen fünf Söhnen Jacob, Matthias, Andreas, Hans und Will mit der Mahnung "bleibt immer in soliden Bahnen" übergab verließen bereits einige Millionen Mundharmonikas das Werk. Dabei war der Qualitätsgedanke vom ersten Augenblick an das Leitbild von Matthias Hohner. Er wusste, dass auch andere Leute Mundharmonikas anfertigen konnten. Seine Mundharmonikas aber sollten die besten sein. Sie sollten dem damals aufkommenden Begriff "Made in Germany" Ehre erweisen. Das taten sie auch auf allen Weltmärkten.
Die Entwicklung des Akkordeons
Schon bald richtete Matthias Hohner Verkaufshäuser in New York, Chicago und Toronto ein. Es waren seine Söhne, seine Enkel und Verwandten, die dies mit Geschick und kaufmännischem Weitblick vollbrachten. Von Jahr zu Jahr ging der Export in die Höhe. Es folgten Häuser in allen wichtigen europäischen Ländern, in Südafrika und Australien. Schon vor Beginn des Ersten Weltkrieges gingen mehrere Millionen Mundharmonikas Jahr für Jahr als klingende Boten aus Trossingen in die Welt hinaus. Der einst unbekannte Marktfleck sollte aber erst in den Zwanziger Jahren seinen größten Aufschwung erleben, als die Handharmonika und das Akkordeon zum Wunschbild der musikliebenden Jugend geworden waren. In klarer Vorausschau hatte Matthias Hohner erkannt, dass dem kleineren Schwesterinstrument die größere und tonlich vielseitigere Handharmonika und dann vor allem das Akkordeon zur Seite gestellt werden sollte. Es blieb seinen Enkeln vorbehalten, diese diatonischen und chromatischen Instrumente zu einem ähnlichen Aufstieg zu führen wie Matthias Hohner die Mundharmonika zu dem gemacht hat, was sie heute noch in aller Welt ist.
Frühzeitig erkannte Professor DR.h.c. Ernst Hohner (1886-1965), einer der Enkel von Matthias Hohner, dass man in Trossingen nicht nur Harmonika-Instrument bauen, sondern für diese auch Lehrer ausbilden und Literatur schaffen sollte. So holte Ernst Hohner den Akkordeon- Virtuosen Hermann Schittenhelm nach Trossingen, der zum Mitbegründer der Städtischen Musikschule Trossingen als dem einzigen staatlich anerkannten Musiklehrer-Seminar für Harmonika-Instrument in Deutschland wurde. Er berief den Komponisten und Musikpädagogen Professor Hugo Herrmann (1896-1967) in die Harmonikastadt. Hugo Herrmann schrieb die erste Original-Komposition für das Akkordeon, jene berühmten "Sieben neue Spielmusiken", die eine neue Ära in der Komposition für die Harmonika-Instrumente einleiteten. In der Städtischen Musikschule wurde eine Spielmethode für die Handharmonika, das Akkordeon, die Mundharmonika und andere Volksinstrumente entwickelt. Seit ihrer Gründung im Jahre 1931 sind in ihr nahezu 3000 Harmonikalehrer aus allen Erdteilen ausgebildet worden.
Die Harmonikabewegung
Parallel zu dieser Pädagogischen und musikkulturellen Arbeit ging man an die Gründung eines Verlagsunternehmens für die Harmonika-Literatur, den Hohner-Musikverlag. Für die instrumentenbaulich weiter vervollkommneten harmonikainstrumente schrieben u.a. Komponisten wie Hugo Herrmann, Friedrich Haag, Hermann Zilcher, Hans Brehme, Ernst-Lothar von Knorr, E.L. Wittmer, E.L. Wittmer, Curt Mahr, Hermann Erdlen, Hans Lüdgers, Hanns Löhrs, Hans Christian Schaper, Hermann Schittenhelm, Rudolf Würthner, sowie Vaugham Williams, Arthur Benjamin und viele andere. International bekannte Mundharmonika-Virtuosen auf der Chromonica sind Larry Adler, John Sebastian, Cham-Ber Huang, Toots Thielemans, Tommy Reily, Ronald Chesny und die deutschen Virtuosen Fritz Pilsl, Rolf Glass, Sigrid Candler, Helmut Herold, Günter Wertz und andere mehr. Fast unübersehbar sind die vielen Mundharmonika.Virtuosen und Akkordeon-Orchester und Clubs, die sich teilweise internationale Namen schaffen konnten. Die von Trossingen ausgehende Harmonikabewegung fasste rasch überall Fuß. Heute gibt es einen Mundharmonika-Weltverband, die Fédération Internationale de l'Harmonica (FIH), dem über 30 Länder angehören und einen Akkordeon-Weltverband, die Confédération Internationale des Accordéonistes (CIA), der ebenfalls über 30 Länder angeschlossen sind. Jahr für Jahr trifft sich die Harmonika-Elite bei den Harmonika und Akkordeon-Weltfestspielen, um im edlen Wettstreit der Töne das musikalische und spieltechninsche Können zu messen, Erfahrungen zu sammeln und sich an ihnen weiterszubilden. Auch die Harmonika-Orchester und Spielgruppen der nationalen Verbände veranstalten Treffen mit Wertungsspielen. Sie gehen Patenschaften ein und lernen auf Konzertreise harmonikafreundde in anderen Ländern kennen. Die Musik, die keine Grenzen kennt, will auch der Völkerverständugung dienen. So ist Trossingen in wirtschaftlicher, aber auch in kultureller Hinsicht zu einem Treffpunkt der Welt geworden. Wer sich für die Harmonika-Instrument, für die Volks- und Kunstmusik und für Bestrebungen auf dem gebiet des schulischen Musizierens interessiert, sei es als Pädagoge, Künstler, Studierender, als Liebhaber oder Kaufmann, der ist mit trossingen verbunden und findet auch den Weg nach dort. In den Trossinger Gasthäusern ist es nicht selten, dass an einem Tisch Englisch, am anderen Französisch, Italienisch, Spanisch oder irgend eine andere Fremdsprache gesprochen wird und Menschen mit weißer, schwarzer oder gelber Hautfarbe sich freundschaftlich begegnen. Die Harmonika wurde zum Wunderkind internationaler Zusammenarbeit. Zwar gibt es bei diesem Kinder auch Probleme. Sie sind ein Zeichen der Weiterentwicklung und des Wachstums, aber sie werden mit friedlichen Mitteln künstlerisch, werkschaffend und weltoffen gelöst. So sitzt der Techniker neben dem Künstler, der Konstrukteur neben dem Kaufmann, der Komponist neben dem Musikliebhaber. Sie alle lieben den kernigen, doch gemütlichen Dialekt, die schwäbische Küche und Gastfreundschaft und sie fühlen sich heimisch in der Völkerfamilie der Harmonika.
HOHNER-Electronic-Music
Immer schon ist Trossingen mit der Zeit gegangen. Das ist seine Aufgabe, sein Weg und sein Erfolg. So gab es kein Abweichen, wenn sich Hohner schon vor dem Zweiten Weltkriegmit den elektronischen Musikinstrumenten auseinandersetzte. Die eigentliche Fabrikation von Elektro-mechanischen und elektronischen Musikinstrumenten begann bei Hohner nach dem Zweiten Weltkrieg. Wieder waren es Prof. Dr. h.c. Ernst Hohner, seine Vettern Dr. Karl Hohner, Dipl. Ing. Matthias Hohner, Dipl. Ing. Walter Hohner und Dr. Ing. Karl Scherer, die einen kaum weniger wagemutigen Schritt taten, wie einst Matthias Hohner, um diesen neuen Klangwerkzeugen Wege und Möglichkeiten zu erschließen.
Inzwischen haben die elektronischen Musikinstrumente aus dem Hause Hohner in ihrer Vielfalt an klanglichen Möglichkeiten längst ihre Feuerprobe überstanden. Das Hohner- Electronium zählt seit Jahren zum Bestandteil eines guten Akkordeon-Orchesters. Seine zahlreichen Klangkombinationen bereichern die Orchester ungemein. Die Hohner Electra-Vox als eine elektronische Orgel in Akkordeon-Form ist ein polyphon spielbares elektronisches Musikinstrument, das von jedem Akkordeonisten gespielt werden kann und durch seine vielen Klangfarben unentbehrlich für den Alleinunterhalter geworden ist.
Beliebte voll-elektronische Jazz- und Beatmodelle sind die Hohner-Symphonic-Koffer-Orgeln. Was die Spieler besonders faszinieren, ist der helle, spritzige Jazz- und Beat-Sound, die gute Tonansprache, die technische Präzision und ihre leichte Transportmöglichkeit. Hohner-Symphonic-Orgeln für Unterhaltungs- und Hausmusik sind jene Konsolinstrumente, die ein Schmuckstück für Haus und Heim darstellen. Die Ausdrucksmittel reichen von der Unterhaltungs- und Tanzmusik bis zu Sakralmusik.
Auch die Hohner-Verstärker sind als Kassetten-Hochleistungsverstärker mit Halleinrichtungen oder als Koffer-Verstärker weithin beliebt. Sie finden das uneingeschränkte Lob der Akkordeon-Orchester, Musikkapellen, der Einzelspieler und Alleinunterhalter.
Nun sei noch auf ein Hohner Musikinstrument hingewiesen, die Melodica. Dieses Zungen-Instrument ist ein chromatisches Blasinstrument mit Tasten. Es wurde von der Jugend ebenso aufgenommen wie von den Lehrern in den Schulen, erfüllt die Melodica doch den Wunsch vieler Musikfreunde. Sie ist vielstimmig spielbar, chromatisch, konstant im Ton, leicht zu lernen, leicht im Gewicht, preiswert und ein Musikinstrument als Vorstufe zum Klavier, das Akkordeon und weitere Tasteninstrumente. Bestimmt ist bei Trossinger Musikinstrumenten die Glücksgöttin Fortuna zur Seite gestanden, als sie dieses Musikinstrument schufen, das gleich den Mundharmonikas zu hunderttausenden in alle Erdteile geht.